Diablo 4 Ein langer Vorblick auf ein ambitioniertes Videospiel

Hannes Letsch27 Minuten Lesezeit

Übersicht
Blizzard Entertainment, 2019

Es ist nicht einfach über das Franchise „Diablo“ zu schreiben. Insgesamt 500 Seiten umfassen allein die Chroniken, die teilweise steckbriefähnlich Schlaglichter auf eine Welt werfen, die genug beinhaltet, um Serien oder Kinofilme zu füllen. Zählt man die Arbeiten von Richard A. Knaack und andere hinzu, ist der Begriff einer Enzyklopädie nicht übertrieben. Derartiger Umfang bedeutet lange Einleitungen, um vorausschauende Perspektiven auf das zukünftige Narrativ zu ermöglichen. Ähnlich verhält es sich mit den bisher drei Spielen, die nicht nur auf grafischer Ebene offensichtliche Fortschritte erzielten, sondern auch für Iteration sowie Verwerfung von Spielkonzepten und -mechaniken stehen. Zwar stand nie das „Hack and Slay“-Prinzip zur Debatte, allerdings wurde abseits dessen vieles abgeschafft und wieder eingeführt. Ein Beispiel wäre etwa die veränderte Atmosphäre von „Diablo 3“ (Blizzard, 2012), die im Vergleich zu „Diablo 2“ (Blizzard, 2000) nicht mehr derartig düster und horrorlastig funktionierte. Oder die Bedeutung von Rüstungssets, die im dritten Teil viel wesentlicher waren als in den anderen Videospielen.

Es bleibt aufgrund des Umfanges nichts anderes übrig, als „Diablo 3“ als Startpunkt zu wählen. Glücklicherweise sind die ersten beiden Titel niederschwellig integriert, weil die Entwickler auf der BlizzCon 2019 eindeutig und mehrfach betonten, dass „Diablo 4“ primär als eine Hommage an „Diablo 2“, teilweise auch für „Diablo 1“ (Blizzard, 1996), zu sehen ist. Die erwähnte BlizzCon 2019 war der offizielle Startschuss des zuvor offenen Geheimnisses „Diablo 4“, das bereits ein Jahr zuvor angekündigt werden sollte, im letzten Moment aber durch „Diablo Immortal“ ersetzt wurde und wieder in der Versenkung verschwand. Das Fiasko des letzten Jahres trieb Entwickler Blizzard letztendlich dazu, zumindest zu bestätigen, dass sich weitere Titel der Franchise in der Entwicklung befinden. Indirekt, aber dennoch spekulativ war „Diablo 4“ somit Realität.

Spielmechaniken und -konzept

Blizzard Entertainment, 2019

Neben der Geschichte beziehungsweise Kampagne steht das Franchise „Diablo“ für die Suche nach dem goldenen Schnitt richtiger „Hack and Slay“-Spielmechaniken, um langfristige Motivation auf strategischer Ebene zu generieren. Mit dem Ende einer Kampagne endet immer die vorgestellte Geschichte. Abseits der eigenen Fantasie verbleiben für die Langzeitmotivation in „Diablo 4“ die Ziele, den eigenen Charakter zu verbessern, neue Spielmethoden zu entdecken und auszuprobieren sowie saisonale Herausforderungen der Entwickler zu meistern. Charakterklassen bilden die grundsätzliche, spielerische Abwechslung und sind Startpunkt verschiedener Spielkonzepte. Bisher sind der Barbar (Nahkampf), die Zauberin (Fernkampf) und der Druide (Hybrid aus Magie und Nahkampf) für „Diablo 4“ bestätigt.

Blizzard Entertainment, 2019

Sie bilden das klassische Dreieck aus physischer Stärke Magie und Beschwörer. Man baut weitgehend auf Etabliertes, variiert einige Fähigkeiten und versucht „Diablo 2“ modern zu integrieren. Dieses generierte Langzeitmotivation dadurch, dass die komplexen Fähigkeitsbäume nicht erlaubten, alle Fähigkeiten maximal oder wenn überhaupt auszubilden. Dem entgegen steht die momentane Verortung von Videospielen, die fast gänzlich als leichtbekömmlich Unterhaltung entwickelt werden. Herausfordernde Spielelemente sind somit nur in stark begrenzten Rahmen möglich.

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Zwar sind die Fähigkeitsbäume in reduzierter, passiver Form in „Diablo 4“ zurück, die eigentlichen Fähigkeiten können allerdings in Gänze maximiert werden. Eine tiefere Charakterplanung wie in „Diablo 2“ ist somit nicht Bestandteil des Spiels. Stattdessen sollen die zu findenden Waffen und Rüstungsteile in der richtigen Kombination verschiedene Spielarten entstehen lassen. Sofern ein Plateau an verschiedenen Kombinationen in der Machthierarchie entwickelt wird, wird das Konzept aufgehen. Je spitzer diese aber zuläuft, desto eher wird man sich in „Diablo 3“ wiederfinden, das genau daran im Langzeitspielspaß scheiterte. Für „Diablo 4“ wäre das ein doppeltes Fiasko, weil es zusätzlich einen „Spieler gegen Spieler“-Modus bieten soll.

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Die Entscheidung den Mehrspieler nicht nur kompetitiv, sondern auch kooperativ weiter auszubauen, ist mutig. Der vermeintliche Widerspruch, dass das Spielen in Gruppen dem Horror schadet, ist nicht nur adäquat adressiert. Die Entwickler mühen sich sogar, die verschiedenen Mehrspielersysteme narrativ wie variant zu halten. Laut Angela Del Priore (Lead UI Designer) sind die verschiedenen Areale dem Mehrspieleraspekt unterschiedlich untergeordnet. Während die Kampagne und Dungeons alleine gemeistert werden können oder müssen, sind größere, wiederkehrende Bosskämpfe oder andere öffentliche Events zu mehrt zu spielen. Del Priore argumentiert, dass Siedlungen als Orte der Zusammenkunft von Menschen selbstverständlich auch Austauschmöglichkeiten zwischen Spielern beinhalten sollten. Sie bekräftigt den iterativen Entwicklungscharakter verschiedener Open-World Elemente. Neben dem vorgestellten Grundprinzip, Areale unterschiedlich stark dem Mehrspielermodus zu öffnen, stellt sie das Spielgefühl ins Zentrum, das durch das Hinzuschalten von Gleichgesinnten entstehen soll. Horror steht für Einzelgänge, Monstrosität und Übermacht für Mehrspieler. Spielerzentriert stellt sie verschiedene Spielertypen vor: Der eine, der kommunikativ anderen während der Kampagne helfen will, einen Clan organisiert und Beziehungen sogar über das Spiel pflegt. Der andere, der komplett auf sich alleine gestellt sein möchte, gerne im Clan überschüssige Materialien oder doppelte Waffen und Rüstungen kommunikationslos teilt, ansonsten aber abseits von „Spieler gegen Spieler“-Modi und öffentlichen Events gerne durch die Welt wandert, um verschiedene Dinge alleine zu entdecken und so über die Zeit hinweg derart mächtig zu werden, dass das „Endgame“ alleine machbar wird. Beides soll nach Del Priore möglich sein.

Dungeons und Dungeonschlüssel

Dungeons bleiben ein wesentlicher Bestandteil des Spiels. Prozedural generiert sollen sie dem Lootaspekt des „Diablo“ Franchise gerecht werden. Die zufallsbasiert generierten, düsteren Areale besitzen mehrere Ebenen. Die Entwickler übernehmen somit ein Spielelement eins zu eins aus „Diablo 3“ technisch verbessert für „Diablo 4“.

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We want dungeons to feel like real explorable places in the world. So, we also built our dungeon system from the ground up with this idea that we call “seamless exploration”. What seamless exploration means is: No more loading screens to go down to the second floor. Third floor, tenth floor, whatever; Any other area. It all happens seamlessly in the game. And with seamless exploration we can even blend these randomly generated tile sets together. You can go from a randomly generated cave straight into a randomly generated forest. This means that dungeons can become sprawling interconnected places to explore and discover. Your reactions in one part of the dungeon can affect what happens in the other part.

– Zaven Haroutunian, Lead Dungeon Designer

Haroutunians Zitat ist bemerkenswert, weil es die Möglichkeit bietet, abseits der Kampagne Geschichten in der Fantasie des Spielers zu triggern, um Langzeitspielspaß neben dem nicht enden wollenden Lootsammeln zu garantieren. Die zusätzlichen, zufallsbasierten Events und Aufgaben, die für die jeweiligen Dungeons als Systeme entwickelt werden, versprechen Abwechslung. Für „Diablo 3“ wurde Ähnliches in abgespeckter Version bereits versprochen, umgesetzt wurde es bisher aber mehr schlecht als recht. Inhaltliche Varianz und strategische Tiefe sollen durch Schlüssel, die Zugang zu sogenannten „Endgame“-Dungeons gewähren, etabliert werden. Die Modifikation der Komplexität und Schwierigkeit dieser Level soll spielerische Motivation liefern, sich lange mit „Diablo 4“ auseinandersetzen zu wollen, denn mit erhöhter Schwierigkeit ergeben sich hochwertigere Belohnungen.

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Im Vergleich zu „Diablo 3“, das durch die Übergewichtung von Rüstungssets in eine Sackgasse rannte, versuchen die Entwickler legendäre Gegenstände in den Vordergrund zu schieben. Das Ziel durch normale, magische, seltene, legendäre, uralt legendäre sowie mystische Waffen und deren Affixe verschiedene Spielstile anzubieten, ist löblich. Set-Gegenstände bilden nicht mehr die Spitze der verschiedenen Qualitätsstufen, sondern sind denen der legendären ebenbürtig. Die bisher vorgestellten Gegenstände und deren Auswirkungen sprechen für ein durchdachtes Konzept, das tiefer geht. Auch deshalb, weil das Runenwortsystem aus „Diablo 2“ in verbesserter Form wieder integriert ist. Ein Paar aus Effekt- und Bedingungsrune kann beliebig gebildet werden. Die Effektrune bestimmt das „Was“, die Bedingungsrune das „Wann“. Das entstandene Runenwort wird dann durch Sockel auf das jeweilige Rüstungsteil angewendet.

Monsterfamilien

„Diablo 4“ setzt weiterhin auf Monsterfamilien, um unterschiedliche Kämpfe zu erzeugen. Die Familie der Skelette oder der Gefallenen sind wieder Teil des Spiels, allerdings soll der Aspekt der Familie nach dem Wunsch von Joe Shely (Lead Game Designer) durch das kooperative Zusammenspiel der K.I. die Kämpfe auf ein höheres Spiellevel hieven. Wo tatsächlich die Verbesserung liegt, erschließt sich nicht wirklich. Gleich zu „Diablo 2“ versuchen verschiedene Gegnertypen im Distanz- und Nahkampf Schaden zu verursachen, die eigene Spielfigur zu fangen, zu verlangsamen und so weiter. Für Shely sind die Attacken, die außerhalb des Bildschirmbildes initiiert werden, eine wesentliche Erweiterung, die den Spieler zu einer Entscheidung, wer zuerst bekämpft werden soll, zwingen. Elitegegner werden mit neuen wie bekannten Affixen versehen und jede Familie scheint Bosse zu besitzen. Diese versuchen die Fähigkeit der jeweiligen Monsterfamilie zu maximieren.

Das eigentliche Spannende ist die Einführung von Ausweichmöglichkeiten, um aus der Defensive in die Offensive zu gehen und umgekehrt. Dass dies nur nebenbei erwähnt wird, und nicht stärker im Zentrum steht, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass viele andere Spiele ähnlicher Machart (vgl. z.B. „Wolcen“) bereits darauf setzen. Marketingtechnisch ist diese Neuerung somit wesentlich weniger effektvoll, als sie spielmechanisch wirkt.

Geschichte und Welt des Spiels

Das Team um Sean Copeland (Historian Supervisor, Creative Development) erschuf über Jahre hinweg ein narratives Szenario mit erheblichem auf Videospiele zugeschnittenem Potenzial, das in der Branche selten ist. Der Dämon Diablo, einer der drei großen Übel, arbeitete sehr lange daraufhin, die anderen kleineren und großen Übel beziehungsweise Brüder und Schwestern derartig zu instrumentalisieren, sodass deren Macht die seinige wird. Sein Ziel, das Oberste Übel zu sein, wurde in „Diablo 3“ durch einen sogenannten schwarzen Seelenstein erreicht, der die Essenzen der gefallenen Brüder und Schwestern aufsammelte, um diese anschließend auf sich zu übertragen. Derartig mächtig schien der ewige Konflikt zwischen den hohen Himmeln und der Hölle, den Engeln und Dämonen, entschieden. Diablo zerstörte mit Leichtigkeit die hohen Himmel, wurde letztendlich aber von den Nephalems, die in „Diablo 3“ gespielt werden, besiegt. Der schwarze Seelenstein wurde Diablo entrissen und weil die hohen Himmel ebenfalls nicht korruptionsfrei sind, beschloss der Engel der Gerechtigkeit namens Tyrael das gefährliche Artefakt in Sanktuario zu verstecken. Dessen Bruder Malthael hatte allerdings andere Pläne, kam Tyrael auf die Schliche und stahl den schwarzen Seelenstein. Nihilistisch davon überzeugt, dass der Tod aller den ewigen Konflikt und das Leid in Sanktuario lösen würde, versuchte er diese Idee umzusetzen, indem er die Essenzen aller Übel inklusive Diablo in sich aufnahm. Aber auch er wurde von den Nephalems besiegt, was kein Gewinn, sondern eine unumkehrbare Niederlage darstellt. Die Essenzen aller Übel, die im Gefäß „Malthael“ gefangen waren, wurden mit dessen Tod wieder freigesetzt.

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„Diablo 4“ spannt einen Bogen zum Anfang Sanktuarios, indem es Lilith zurück aufs Tableau holt. Die Tochter eines der großen Übel namens Mephisto hat eine besondere Rolle. Sie verband sich mit einem Engel, dem Erzfeind, namens Inarius, um schlacht- und kampfesmüde den ewigen Konflikt ablehnend etwas zu schaffen, das als friedliches Refugium für Dämonen wie Engel fungieren sollte: Sanktuario. Andere rebellische Engel und Dämonen schlossen sich an. Die Nephalem beziehungsweise Menschen, die Sanktuario bewohnen, sind die Kinder dieser Zusammenkunft und beinhalten als diese somit sowohl positive (himmlische) wie negative (dämonische) Charaktereigenschaften. Malthael ließ die Menschheit in Genoziden dezimieren. Die entstandenen Machtvakuums wurden alsbald von bekannten Herrschaftshäusern, den Zakarum und anderen, wieder gefüllt. Das Refugium, das die impulsive und cholerische Lilith mitgestaltete, ist mittlerweile ein einziges Chaos und nicht mehr das, für was es stehen sollte. Die Kinder der Dämonen und Engel sind zu mächtig und somit eine Gefahr für Himmel wie Hölle. Die aus der Verbannung Inarius' zurückgeholte Lilith soll das Gefüge retten. Anhänger Liliths, menschliche Diener, die die Dämonin verehren, holen sie deshalb zurück nach Sanktuario. Für die Menschen (Nephalems) ist sie eine direkte Bedrohung und die mittelfristig zurückkehrenden Übel um Diablo werden abermals zu bekämpfen sein.

Diablo IV Announce Cinematic | By Three They Come
Blizzard Entertainment, YouTube, 2019

Die Welt von „Diablo“ namens Sanktuario ist konzeptuell seit dem ersten Tag eine dunkle Abbildung einer sonst bunten Realität. Comics, Filme, TV-Shows und Rollenspiele werden durch die Diablo-Linse in ein Horrorszenario eineindeutig umgeformt: Grüne, vitale Wälder werden beispielsweise zu düsteren, sumpfigen Urwäldern umgewandelt oder putzige bis grazile Waldbewohner werden zu Bestien, mit überdimensionierten Krallen und Hauern, die konstant in Rage versetzt, alles angreifen, was sich bewegt.

Metal became a way that we described things in the game. And I don’t mean metal on a helmet or a sword. I mean Metal [music].

– Jesse McCree (Lead Game Designer)

Die scheußliche, angsteinflößende Abbildung eines Objektes oder Lebewesen ist, was „Diablo“ in Optik und Atmosphäre auszeichnet. Vor allem deshalb, weil die einzeln designten Horroralternativen der Realität sich schlüssig aufeinander beziehen. Die Nostalgie, die sich um „Diablo 2“ rankt, resultiert aus dieser Atmosphäre, die in Sanktuario zu spüren sein muss. Das Stichwort „Dunkelheit“ bezieht sich hierbei sowohl auf die Geschichtenerzählung wie auch auf deren optisch, auditive Ausgestaltung. „Diablo 3“ verlor sich in sogenannter „High Fantasy“. Geschichten über Könige, Helden oder Politik und nicht über das Leid und Elend in heruntergekommenen Städten und Dörfern, das alltäglich in Sanktuario in verschiedenen Formen zu beobachten ist, fraßen eine gewisse Portion dessen, was „Dunkelheit“ bedeutete. Allein sich als Wanderer in dunklen, schier klaustrophobischen Gängen, Gruften, Wäldern, Gebirgspässen und so weiter durchschlagen zu müssen, fehlte gänzlich. „Diablo 4“ soll die Dunkelheit wieder zum Zentrum machen, um das in „Diablo 3“ Verlorene zurückzuholen. Visuell wird transportiert, was über 1000 Seiten in Büchern erzählen. Die Entwickler stützen sich dabei offensichtlich auf einen simplen Dreiklang aus Kennenlernen, Suchen und Kämpfen. Die zur jeweiligen Aufgabe zugehörige Geschichte wird in einer Siedlung empathisch gruselig erzählt, um in der Wildnis außerhalb des kaum Schützenden im Dunklen zu suchen, was verloren ging oder als Gefahr jeden bedroht. Der Kampf beendet die sogenannte Quest mit einem Boss, der eine Verschmelzung aus Ekel, religiösen Aspekten und Sichtweisen des Mittelalters ist.

Level und Spielwelt

„Diablo 1“ beschäftigte sich ausschließlich mit einem Ort in Sanktuario, Tristram, dessen Umland und der dort gebauten, berühmten Kapelle. „Diablo 2“ und „Diablo 3“ ließen den Spieler die bereits bekannte Welt von Sanktuario erkunden, allerdings nicht zusammenhängend. Stattdessen wurden Wegpunkte als uralte Horadrim Magie integriert, die Teleportation ermöglichten. Eine Aktstruktur ermöglichte harte Gebietsveränderungen. Der Reiz von „Diablo“ war somit nicht nur die Geschichte, die „embeded“ von den Entwicklern im Spiel erzählt wurden. Die Weltkarte und die dort verzeichneten Orte und Gebiete ließen viele Anhänger phantasieren („emerged“), was sich dort alles noch so zutragen könnte. Dies band Personen an das Franchise merklich. Die Wegpunkte und damit verbundene Unzulänglichkeit, eine Welt geographisch kohärent zu präsentieren, war das Glück der Marke. „Diablo 4“ ist der erste Versuch, ein zusammenhängendes Gebiet, eine „Open World“ als Spielkarte zu verwenden. Es bietet die Möglichkeit, eine authentische, bodenständige Welt zu gestalten, die das Wandern mehr ins Zentrum stellt, ohne die Idee des Prozeduralen zu vernachlässigen, denn die unterirdischen Dungeons werden weiterhin zufallsbasiert in ihrer Ausgestaltung generiert.

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Von Kehijstan, über die östlichen Sumpflandschaften bis nach Scosglen im Norden wird ein Teil von Sanktuario komplett ohne Ladebildschirm zusammengeknüpft entwickelt. Die Gestalter dieser Karte sprechen von hunderten verschiedenen Siedlungen, Dungeons und so weiter, die das riesige Level füllen sollen. Varianz schaffen die verschiedenen Regionen, die Sanktuario zum ersten Mal kohärent charakterisieren. Weniger Vorstellung, mehr Konkretes und Definiertes ist das Motto.

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Eine Problematik entsteht sogleich: Weil Sanktuario für Leid steht, kann nur Horror in verschiedenen Formen dargestellt werden. Diese emotionale Eintönigkeit birgt die Gefahr des Überdrusses, der Langeweile, die sich einstellt, wenn immer und immer wieder auf Leid und Elend rekurriert wird. Harrison Pink (Lead Quest Designer) und Candace Thomas (Senior Encounter Designer) versuchten auf der BlizzCon 2019 gegen diese Befürchtung zu arbeiten. Pink beschrieb Scosglen als ein verregnetes, felsiges, ungezähmtes, wildes Hochland mit tiefen Wäldern, die im echten Kontrast zu den vertrockneten Steppen stehen. Fünf verschiedene Regionen wurden insgesamt näher beschrieben und alle seien, so Pink, ganz gewiss komplett verschieden. Dennoch: Bei allen verwendete er wiederholend Begriffe wie Gewalt, Dunkelheit, Unmenschlichkeit, Horror, Mystik, Terror und Leid. Somit wurden die vorgestellten Regionen abseits der präsentierten Konzeptzeichnungen inhaltlich indifferent.

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Die erstellten Zeichnungen beweisen aber, dass vor allem die Concept Artists des Diablo Entwicklerteams viel Fantasie besitzen. Sie wirken instinktiv und lassen sofort Geschichten im Kopf entstehen. Das heißt, dass Blizzard eine echte Ressource besitzt, um doch die notwendige Varianz im Spiel zu schaffen. Pinks Ausführungen lassen hingegen erahnen, dass womöglich die Rolle des „Lead“-Entwicklers dem Spiel „Diablo 4“ in die Quere kommen könnte. Dieses lässt sich etwa bei Candace Thomas erkennen, die in ihrer Präsentation der Gegnertypen ab und an Entscheidungen ausschließlich durch eigene Präferenzen erklärte und somit sehr ambivalent agierte.

Gegner, die aufgrund ihrer konzeptuellen Ausgestaltung womöglich in ausführlicheren Geschichten präsentiert werden müssten, um sich in die Welt nahtlos einzufügen, wurden teilweise stereotypisiert. Ein Beispiel ist der Austausch der Waffe eines aufgedunsenen „Juggernaut“. Als Teil der Ertrunkenen, die sich aus den Überresten gestrandeter Schiffe und anderem Treibgut Waffen und Rüstungen bauen, hält dieser in den Konzeptzeichnungen einen Holzstab in Händen, an den mehrere längliche Morgensterne mit Tauen befestigt sind - ein Dreschflegel aus Schiffsteilen. Für Thomas zu kreativ und nicht nachvollziehbar.

So, this [concept art] is a line-up of the Drowned. Early on, this is a concept piece that we encounter designer will use, to inspire us, to determine what we are going to do in combat […]. I want to talk about the guy in the middle. He is the drown juggernaut because there is a cool story about him. If you look at him and you get inspired by this photo, it’s perfect, right? He is supposed to be a heavy punisher […]. That’s perfect except for one thing: That’s kind of weird. [Die Waffe der Figur wird rot eingekringelt]. Knowing the story that I told you about the Drowned and how they are shambling from the ocean, kidnapping you, pulling you out into the sea. What story are we telling with that flail? Where did he get that thing? Do we have to tell a story about a store that he buys this from und der sea?! What’s the deal?

– Candance Thomas, BlizzCon (2019), World and Lore Panel

Stattdessen wurde diesem Juggernaut ein langweiliger, generischer Schiffsmast in die Arme gedrückt, was spielmechanisch in ebenso langweiligen Attacken mündet. Bewegungen, die in vielen Spielen zu Hauf verwendet werden, wurden abermals programmiert. Waffen und Attacken, die für einen geübten Spieler beim ersten Aufeinandertreffen bereits uninteressant und berechenbar sind, sollen das Neue sein. Sicherlich darf die Geschichte hinter den verschiedenen Fraktionen und Gegnertypen nicht konträr zum Erscheinungsbild und den Spielmechaniken sein. Aber derartig stereotypische Umsetzungen von bereits bekannten Angriffsmustern und visuellen Ausgestaltungen leisten dem Projekt keinen kreativen Vorschub. Im Gegenteil: Es minimiert den Effekt des Horrors, der doch in „Diablo 4“ überall herrschen soll.

Blizzard Entertainment, 2019

Gegenpol zum ertrunkenen Juggernaut bildet die Neuinterpretation des Madenkönig namens Duriel, weil das erweitert wird, was bereits in „Diablo 2“ über den Herren der Schmerzen in spielmechanischer und geschichtlicher Hinsicht schon bekannt war und funktionierte. Passend zu dessen Titel kann Duriel den Spieler in dessen Bauch hineinziehen, der wie eine organische, eiserne Jungfrau funktioniert. Die Verschmelzung von Geschichte, Spielmechanik und Design ist hier gut gelungen. Generell fiel die Idee, Bosskämpfe im Spiel zu platzieren, positiv auf. Das im offiziellen „Gameplay Trailer“ gezeigte Monster namens Ashava ist wie Duriel eine gelungene Symbiose. Aufgrund ihrer Möglichkeit, sich durch die Erde zu Graben, ist sie eine stetige Gefahr in ganz Sanktuario. Sie kann überall erscheinen und erinnert als Liliths Dienerin den Spieler, dass dieser immer unter Beobachtung steht. Die Idee mehrere Leute gegen Bosse antreten zu lassen, respektiert die Größe des Monsters und lässt diese erfahrbar werden.

Diablo IV Official Gameplay Trailer
Blizzard Entertainment, YouTube, 2019

Grundsätzlich scheint es, als ob die Künstler der Zeichnungen mehr Fantasie besitzen als die Entscheidungsträger, die für die Umsetzung in 3D-Modelle verantwortlich sind. Dieser ungünstige Filter könnte das Potenzial, das das Concept Artist Team um Sean Copeland dem restlichen Entwicklerteam in die Köpfe zaubert, ordentlich schmälern.

Die Gefahr falsch verstandener Sicherheit

Die im „World and Lore“ Panel beobachteten Argumentationen von Harrison Pink und Candace Thomas deuten in die Richtung einer falsch verstandenen Sicherheit, um wirtschaftlich das einzufahren, was erwartet wird. Gleichzeitig sollen die durch „Diablo Immortal“ skeptischen Anhänger nicht weiter verärgert werden. Dank des Missmanagements um Activision CEO Bobby Kotick und Neupräsident J. Allen Brack befindet sich das Entwicklerteam in einem selbst aufoktroyierte Spießroutenlauf, der die Schaffenskraft einiger Designer zumindest teilweise hemmt. Die Frage, was verändert, behalten und verworfen werden soll, wurde zu einem Tanz auf Messers Schneide. Eine motivierende Herausforderung ist Last, die weder Brack noch Kotick zu schultern haben, den Entwicklern aber jederzeit auf den Kopf fallen kann – im schlimmsten Fall in Form von Entlassungen. Joe Shely wurde im Zuge der BlizzCon die heikle Frage nach der Monetarisierung des Spiels gestellt. Er bestätigte den Verkauf eines sogenannten „base game“ und weitere „expansions“. Mit dem Satz „And I also can confirm that we will not sell power” versuchte er die Gemüter zu beruhigen, ohne wirklich konkret zu werden, was „power“ alles bedeutet. Der Applaus war ihm trotzdem gewiss, die Luft aus dem Thema erstmal wieder raus. Man überschüttete während der BlizzCon 2019 das Publikum mit Informationen, um guten Willen zu demonstrieren. Die Art und Weise, wie dies initiiert wurde, lässt auf eine Mischung aus Enthusiasmus und Schadensbegrenzung schließen. Erster wird von oben motiviert, um durch die gute Moral und Ehrlichkeit der Entwickler für sich letzteres eigensinnig zu garantieren. „Diablo 4“ ist ein großes Versprechen, das viele neuralgische Punkte bereits offenbart hat. Man denke hierbei an das Machtplateau, sodass mehrere Möglichkeiten bestehen, ebenbürtig Starke Charaktere der gleichen Klasse zu erstellen. Das Jahr 2020 dürfte ein spannendes für die Entwickler werden, denn die Flut an Informationen und Versprechungen definiert bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine klare Messlatte. Diese sieht momentan wie folgt aus:

Diablo 4: Was bleibt gleich?

  • Das grundsätzliche Verständnis und Spielweise bekannter Klassen ist in „Diablo 4“ zurück.
  • Aktive Fähigkeiten sind systemisch denen aus „Diablo 3“ identisch.
  • Clans sind weiterhin Bestandteil des Spiels.
  • Circa 100 verschiedene Dungeons bleiben als feste Säule des „Diablo“-Spielkonzepts prozedural generiert und sind wesentlicher Bestandteil des sogenannten „End“ beziehungsweise „Late Games“.
  • Es gibt zufallsbasierte Events, die allerdings nicht mehr an gewisse Örtlichkeiten gebunden sind.
  • Ein Einzelspielermodus ist weiterhin fester Teil des Spiels, auch in einem Open-World Szenario.
  • Monsterfamilien werden designt, um narrative Tiefe wie spielerische Varianz zu generieren.
  • Elitegegner besitzen bekannte und einige neue Affixe.
  • „Diablo 4“ wird nicht offline spielbar sein.
  • Die Intensität und Kampfgeschwindigkeit orientieren sich stark an „Diablo 3“.
  • Stärkere Gegner lassen bessere Waffen fallen, ohne die Erscheinungswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Deren Affixe sind fix, variieren aber in ihren quantitativen Ausprägungen.
  • „Seasons“ mit neuen Inhalten und Variationen sind Teil von „Diablo 4“.
  • Der Hardcore-Modus ist definitiv Bestandteil des Spiels.
  • Das Ausrüsten des eigenen Charakters orientiert sich optisch wie systemisch an „Diablo 2“.
  • Das Paragon-Levelsystem ist als Philosophie in „Diablo 4“ enthalten. Die exakte Art und Weise ist noch nicht final.
  • Transmogrifikationen sollen integriert werden.
  • Schatzgoblins aus „Diablo 3“ sind in der Demo bereits zu sehen.
  • Das Herstellen und Modifizieren von Gegenständen ist möglich.

Was ist in Diablo 4 neu?

  • Passive Fähigkeiten sind in einer kleinen Baumstruktur zusätzlich auswählbar und dadurch aufeinander bezogen.
  • Die Open-World ermöglicht verschiedene Mehrspielermodi, die verschiedene Spieltypen gleichsam respektieren und ermöglichen.
  • Ein lokaler Spielmodus für zwei Spieler auf Konsolen wurde beschlossen.
  • Aufgaben in Dungeons beziehen sich aufeinander. Für jede erledigte Aufgabe wird die Schwierigkeit und die Belohnung in ihrer Wertigkeit erhöht.
  • „Grinding“ allein, wie in „Diablo 3“, soll vermieden werden. Verschiedene Aktivitäten wie etwa Bosskämpfe (siehe Ashava) sollen Varianz bieten.
  • Ein Schlüsselsystem für Dungeons wird eingeführt, sodass diese in ihrer „Endgame“-Ausprägung exklusiv werden. Sie modifizieren durch ihre Affixe die Komplexität und Schwierigkeit des jeweiligen Dungeons. Ein Schwierigkeitslimit nach oben scheint es nach Joe Shely nicht zu geben.
  • Ausweichmöglichkeiten der eigenen Spielfigur, um aus der Defensive in die Offensive zu wechseln oder umgekehrt, sind bereits im Spiel zu sehen.
  • Legendäre Gegenstände sollen mehr denn je Fähigkeiten über die Möglichkeiten der passiven und aktiven Optionen hinaus modifizieren.
  • Set-Gegenstände bilden nicht mehr die Spitze der verschiedenen Qualitätsstufen, sondern sind denen der legendären ebenbürtig. Sets werden in optischer Hinsicht gesehen und eher zur Einführung in die Kombinationsmöglichkeiten verstanden.
  • Ein Runensystem wird integriert, das zusätzliche Effekte mit oder ohne Bedingungen erzeugt. Ob nur Zweierkombinationen möglich sein werden, ist offen.
  • Handeln ist wie zuvor im Spiel grundsätzlich möglich, allerdings in abgeänderter Form ausgestaltet: Es gibt Gegenstände, die jederzeit gehandelt werden können. Einige können nur einmal und manchmal können gar nicht gehandelt werden. Diese müssen selbst erspielt werden.
  • „Spieler gegen Spieler“ Modi, die deshalb möglich sind, weil es ein Machtplateau gibt, das viel Strategie einfordert und Möglichkeiten zur Stärke gibt. Welche Spielmodi es gibt, ist offen. Eine Mischung aus „PvE“ und „PvP“ wie ein genuines „Spieler gegen Spieler“ Szenario sind möglich.
  • Die eigene Spielfigur kann in ihrem Geschlecht und Aussehen (Haare, Ethnie und so weiter) feingranularer verändert werden.
  • Kosmetische Gegenstände werden durch Mikrotransaktionen höchstwahrscheinlich verkauft werden.
  • Tastenbelegungen sind erweitert modifizierbar.

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